Installation view
Installation view
Telegon 31 vol.2 (rhythm change, colour sequence change), 2016, oil on canvas
170 x 170 cm
Telegon 31 vol.1 (rhythm change, colour sequence change), 2016, oil on canvas
170 x 170 cm
Installation view
Telegon 30 (rhythm for 4 triangles), 2016, oil on canvas
170 x 170 cm
Installation view
music 24, 2017, installation with 25 paintings
each oil on canvas, 20 x 20 cm / total size 136 x 490 cm
Detail from music 24, 2017
Detail from music 24, 2017
Detail from music 24, 2017
Detail from music 24, 2017
Installation view
P a r t i t u r e n, 2016/17, colour pencil on paper / exhibition copy
29,7 x 21 cm
Detail from P a r t i t u r e n, 2016/17
Detail from P a r t i t u r e n, 2016/17
Detail from P a r t i t u r e n, 2016/17
Detail from P a r t i t u r e n, 2016/17
P a r t i t u r e n (tunings), 2016/17, pencil / oil on canvas sheet
23 x 31 cm / 43 x 29,5 cm
Detail from P a r t i t u r e n (tunings), 2016/17
music 24 (solitaires 1-4), 2017, each oil on canvas
20 x 20 cm
Installation view
Telegon 33 (colour stay – play / T26 reloaded), 2017, oil on canvas
170 x 170 cm
Im Rahmen ihrer ersten Einzelausstellung in der Galerie Christine Mayer zeigt Silva Reichwein eine Auswahl von Arbeiten aus drei Werkkomplexen, die hier räumlich wie konzeptuell in direkte Gegenüberstellung gebracht werden. Im vorderen und hinteren Bereich der Galerie sind vier großformatige Gemälde aus ihrer Serie der Telegone zu sehen (Telegon 30 (rhythm for 4 triangles), Telegon 31 vol 1+2 (rhythm change, colour sequence change) (beide 2016) und Telegon 33 (colour stay – play/ T26 reloaded) (2017)) sowie zwei Arbeiten aus der Serie music: die Konstellation kleinformatiger Bilder music 24 sowie music 24 (solitaires 1-4) (beide 2017), wobei die vier „Solitäre“ im Zusammenhang mit music 24 produziert, darin aber letztlich nicht integriert worden sind. Als verbindendes Element hängt im Durchgangsraum eine Auswahl von Partituren (Partituren (C.M.-Reihe), 2017), die parallel zu den Telegonen und music entstanden sind und die insgesamt Einblicke in deren Entstehungsprozesse geben.
Zugleich fungieren die für die gesamte Ausstellung namensgebenden Telegone auf konzeptueller Ebene als pars pro toto. Der von Silva Reichwein konstruierte Begriff ‚Telegon‘ lässt sich frei als „entfernt von der reinen Geometrie“ (von griech. tele = fern und gonia = Winkel) übersetzen und steht beispielhaft für die komplexen Verfahren, die sie anwendet, um zu ihren Bildkompositionen zu kommen. Der Fokus liegt hierbei auf der Logik der Farbe, konkreter noch der Rhythmisierung von Farbe im Bild.
Bei den vier ausgestellten Telegonen geschieht dies zunächst durch eine Einteilung der Leinwände in ein Raster von 17 x 17 quadratischen Feldern. Anschließend rechnet Silva Reichwein in den dazu gehörigen Partituren ausgehend von einer vorher festgelegten Zahlenreihe verschiedene Maßverhältnisse durch, aus denen u.a. die Kontrastverhältnisse der Farbe wie der Wechsel von Schärfe und Unschärfe abgeleitet werden. Hierüber entsteht ein, wie sie es nennt „bewegliches Raster“, ein Netz von potentiellen Bezügen, das in seiner Anlage durchaus Generierungsverfahren digitaler Bilder vergleichbar ist. In diesem Verfahren liegt auch die größte Differenz dieser so flirrend wirkenden Farbfeldmalerei zu den konkret-abstrakten Bildkonzepten ihrer Vorläufer. Viel eher legt es eine Nähe zu musikalischen Kompositionsverfahren nahe.
Ähnliches gilt für Music 24. Was rein optisch zunächst an die Op Art oder Marcel Duchamps Rotoreliefs erinnern mag, funktioniert auch hier primär über Zahlenverhältnisse und die Anordnung von Punkten auf einer Fläche. Geradezu mechanisch dagegen ist ihr Herstellungsverfahren: Die in etwa der Größe einer 7“ Schallplatte entsprechenden Leinwände werden zunächst auf einen Plattenspieler aufgelegt. Anschließend hält Reichwein bei einer Abspielgeschwindigkeit von 33rpm hierauf den Pinsel mit einer Farbe ihrer Wahl, wobei der von ihr ausgeübte Druck auf die Leinwand die Farbverteilung bestimmt. Während bei den Telegonen die Zahlenreihen, Kästchengrößen und Linienbreite die maßgeblichen kompositorischen Elemente auszeichnen, sind es hier die Rotation und Strukturierung der Farbe. Gibt Silva Reichwein durch die Reihenstrukturen in den Telegonen der Farbe eine Zeit, wird ihr hier nun über den Einbezug von Technik eine Geschwindigkeit gegeben.
Ausschlaggebend für die anschließende, räumliche Anordnung der vom Prinzip endlos herstellbaren Gemälde von music 24 sind Verhältnisberechnungen von Wandfläche und dreier verschiedener Abstände nach einer wiederum vorab festgelegten Reihe, wobei die 24 im Titel der Arbeit die Abstände zwischen den 25 Gemälden impliziert. Doch auch bei den Telegonen spielt das Verhältnis von Bild zum Raum sowie zum menschlichen Körper eine große Rolle. Nicht nur sind sie an den Körpermaßen der Künstlerin ausgerichtet, auch entsteht bei ihrer Betrachtung des durch den Wechsel von Schärfe und Unschärfe bedingten Effekts des Rein- und Rauszoomens ein stetig neues Bild.
Die Partituren (von ital. partitura = Einteilung) dienen Silva Reichwein im musikalischen Sinne sowohl als Notationen wie auch als Anweisungen. Sie tragen mit ihrer Kombination aus Zahlen, Worten, geometrischen Formen und Farben maßgeblich zur Ideenfindung von den Bildern und ihren Titeln bei. Dabei wird nur das „farbtuning“ eines spezifischen Telegons als Originalpartitur (Öl auf Leinwand) gezeigt, während die übrigen Partituren grundsätzlich nur als Kopien ausgestellt werden. Letzteres macht potentiell immer wieder neue Konstellationen und Verweisstrukturen zwischen ihnen möglich. Die einzelnen ausgestellten Gemälde und Zeichnungen stehen daher zwar jeweils für sich, weisen aber zugleich auch netzartige Verbindungen zu einander auf, die durch die Anordnung im Ausstellungsraum noch verstärkt werden.
Aktuell erscheint der Katalog Sine Grey. Eine audiovisuelle Anordnung, hrsg. von Martin Lorenz und Silva Reichwein zusammen mit Susanne Prinz vom Verein zur Förderung von Kunst und Kultur am Rosa-Luxemburg-Platz e.V., Berlin. Dieser ist während der Ausstellung in der Galerie erhältlich.
Fiona Mc Govern
In her first solo show at Galerie Christine Mayer, Silva Reichwein presents a selection from three bodies of work that she directly juxtaposes both in spatial and conceptual terms. On view in the front and back sections of the gallery are four large-format paintings from her series Telegone (Telegon 30 (rhythm for 4 triangles), Telegon 31 vol 1+2 (rhythm change, colour sequence change) (both 2016) and Telegon 33 (colour stay – play/ T26 reloaded) (2017)), as well as two works from the series music: the constellations of small-format pictures music 24 and music 24 (solitaires 1-4) (both 2017). The four ‘solitaires’ were produced in conjunction with music 24 but in the end not integrated into the series. A selection of scores (Partituren (C.M.-Reihe), 2017) is displayed in the passage room as a combining element. They were created in parallel to the Telegone and music and provide insights into their formation process.
The Telegone, after which the entire exhibition is named, simultaneously function as pars pro toto on a conceptual level. The term ‘telegon’ constructed by Silva Reichwein can be freely translated as ‘at a distance to geometry’ (Greek tele = afar and gonia = angle) and exemplarily stands for the complex method she applies that leads to her pictorial compositions. The focus is on the logic of colour, or to be more specific, the rhythmization of colour in the painting.
In the case of the four exhibited Telegone, this is done by first dividing the canvases into a grid of 17 x 17 square fields. Silva Reichwein then computes various dimensional ratios based on a predefined numerical sequence in the attendant Partituren [Scores], from which the contrast relations of the colours, the alteration between sharpness and fuzziness, and other features are derived. This results in a ‘moveable grid’, as she calls it, a web of potential relations that in regard to its design can indeed be compared to methods used to generate digital images. This approach also marks the significant difference of this apparently shimmering colour field painting to the concrete-abstract pictorial concepts of her predecessors. It is, instead, much closer to musical composition methods.
The same applies to music 24. What in purely optical terms may remind one of Op Art or Marcel Duchamp’s Rotoreliefs, also functions primarily via numerical ratios and the arrangements of dots on a surface. In contrast, her production method is quite mechanical: The canvases about the size of a 7“ record are first placed on a turntable. Reichwein then positions a brush with a colour of her choice on the canvas rotating at a speed of 33rpm, with the pressure applied to the canvas determining the colour distribution. While the key compositional elements of the Telegone are determined by numerical sequences, the size of the squares and the width of the lines, rotation and the structuring of the colour are crucial in music 24. In the Telegone, Silva Reichwein lends time to colour through the structure of the sequences; here, the colour is lent speed through the use of technology.
Decisive for the subsequent spatial arrangement of the paintings of music 24, which can basically be produced ad infinitum, are ratio calculations of the wall surface and three different distances according to an again predefined sequence, with the number 24 in the work’s title implying the intervals between the 25 paintings. But the relation between image and space as well as the human body also plays a significant role in the Telegone. They are not only oriented towards the body dimensions of the artist, the effect of zooming in and out created by the alternation between sharpness and blurring gives rise to ever new images when viewing the works.
The Partituren (from the Italian partitura = division into parts) serve Silva Reichwein as both notations and instructions in the musical sense. Their combinations of numbers, words, geometrical shapes, and colours substantially contribute to the ideas informing the pictures and their titles. Only the ‘colour tuning’ of a specific Telegon is shown as an original score (oil on canvas), while the other scores are generally exhibited as copies. The latter allows presenting ever new constellations and reference structures between them. The individual paintings and drawings on display thus stand for themselves, while simultaneously revealing network-like interconnections that are intensified by their arrangement in the gallery space.
The catalogue Sine Grey. Eine audiovisuelle Anordnung, ed. by Martin Lorenz and Silva Reichwein with Susanne Prinz from the Verein zur Förderung von Kunst und Kultur am Rosa-Luxemburg-Platz e.V., Berlin, has been published and is available at the gallery during the exhibition.
Fiona McGovern / translated by Karl Hoffmann