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Installation view

2. DSC_3861_b2 Kopie_HP
Untitled, 2012/2015, black and white prints
357 x 326,7 cm (size variable)

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Untitled, 2012/2015, black and white prints
detail

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Untitled, 2012/2015, black and white prints
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Untitled, 2012/2015, black and white prints
detail

3. DSC_3832_bb2_HP
Installation view

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Untitled, 2015, acrylic and pencil on canvas
27 x 33,5 cm

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Installation view

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Installation view

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Untitled, 2015, layout with 5 photographs
42 x 147 cm

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Installation view

7. DSC_3899_b_HP
Installation view

8. DSC_3905_b_mR_HP
Untitled (Die Professor Winkler Gedenktafel), 2006, brass
29,5 x 42 cm

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Installation view

10. DSC_4001_b_oR_HP
Untitled (90), 2014, acrylic on canvas
150 x 100 cm

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Untitled, 2015, graphite and acrylic on canvas
96 x 69 cm

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Installation view

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Untitled (Sie), 2015, digital print
45 x 32 cm, edition of 5

 

Zentrum von Thomas Winklers zweiter Einzelausstellung in der Galerie Christine Mayer bildet die großformatige Wandarbeit Ohne Titel, 2012/2015, die aus 167 exakt übereinander- und nebeneinandergereihten, schwarz-weißen Fotoprints besteht. Auf den einzelnen Fotografien sind drei Männer zu sehen, die in noch unberührter Vegetation im Yukon (Kanada) nach Gold suchen. Thomas Winkler begleitete die Exkursion und dokumentierte die Suche nach dem vermeintlichen Reichtum mit seiner Kamera. Die Nähe zu den mit Detektor, Gewehr und Schaufel gerüsteten Protagonisten ist durch das Monumentale der Wandarbeit jedoch völlig aufgehoben, die starken Schwarz-Weiß-Kontraste schaffen Distanz. Die Fotos wirken nicht im Einzelnen und lassen sich – trotz ihrer Aneinanderreihung – auch nicht als Abfolge oder durch eine Leserichtung fassen. Die Gesichter der einzelnen Goldgräber, die Dokumentation ihrer gierigen Suche, die eigentliche Intention der Aufnahme verschwimmen immer mehr. Der Betrachter bleibt zurück und lässt den abstrahierenden „Overload“ des wandfüllenden Werks, dessen Grundlage das fotografische Medium ist, als Gesamtheit auf sich wirken.
Als Gegenstück der Wandarbeit kann in der Ausstellung das ihr vis-à-vis hängende Werk Ohne Titel, 2015, Layout mit 5 Fotos gesehen werden, das in fünf aufeinanderfolgenden, beinahe identischen Sequenzen eine japanische Frau zeigt, die in einem Restaurant in Tokyo Suppe in eine Schüssel füllt. Die warmen Farben der Szene und das ruhige Gebaren der Frau schaffen heimische Nähe, der lapidar mit Hand gezogene schwarzen Rahmen erinnert an ein Entwurfslayout und umrandet fast beschützend das Foto-Fries. Es sind die antithetischen Prinzipien von Ausbeutung und Zuwendung, von distanzschaffender Größe, von Auswählen und sanftem Festhalten fotografischer Momente, die sich gegenüberstehen und die Hauptachse der Ausstellung von Thomas Winkler bilden.
Ein weiteres Werk der Ausstellung stellt das Gemälde Ohne Titel, 2015 dar, das als eine nicht zu übersehende Hommage an On Kawara gelten kann. Denn Konzept und Methode und auch die formal-ästhetischen Prinzipien scheinen auf den ersten Blick denen des japanischen Konzeptkünstlers zu gleichen. Bei genauerem Hinsehen variieren jedoch Farbe und Typografie, durch die sichtbaren Bleistiftgeraden wird der Schaffensprozess des kleinen Gemäldes unterstrichen. Thomas Winkler stellt sich in Anlehnung an den im Jahr 2014 verstorbenen On Kawara mit „1972-“ die Frage nach seinem persönlichen Ende, verweist allgemein auf dieses Jahr und setzt es in Bezug zur Unendlichkeit.
Zwei weitere Werke auf Leinwand – ein Selbstporträt des Künstlers und das Gemälde Ohne Titel (90), 2015 aus seiner 2003 begonnen Layoutreihe – werden in den Räumen der Galerie Christine Mayer präsentiert.
In seinem Selbstporträt Ohne Titel, Graphit auf Leinwand, 2015 überträgt Thomas Winkler mit Hilfe der Rastermethode, die schon Jahrhunderte zuvor auch Albrecht Dürer verwendete, ein Foto aus seiner Teenagerzeit mit Graphit und weißer Acrylfarbe auf eine fertig grundierte Leinwand. Das Raster, das als einst als Vorstufe zum eigentlich Werk galt, ist hier deutlich zu sehen und unterteilt das frontal gezeichnete Gesicht des Künstlers in immer gleich große Rechtecke.
Über Eck gezeigt wird Ohne Titel (90), eine monochrom mittelgrau grundierte Leinwand, auf der sich acht Rechtecke in verschiedenen Grau- und Anthrazittönen finden, die ebenfalls entsprechend einer Rasterordnung angeordnet sind. Diese Farbfelder wirken wie Übermalungen eines darunter Befindlichen, wie eine Eliminierung von etwas Dagewesenem. Die Malerei kann als eine Fortführung der Fotolayouts von Thomas Winkler gelten, in denen er die Rasterstruktur von Layouts aus der Werbung verwendet, um sie mit eigenen oder gefunden Fotografien zu füllen. Es ist eine fotografische Dokumentation des sozialen Umfelds, der Veranstaltungen und besuchten Lokalitäten, der Orte und Reisen von Thomas Winkler, eine Dokumentation des eigenen Lebens und der eigenen Zeit des Künstlers, die durch seine konzeptuelle Vorgehensweise auf den Fotolayouts visualisiert und in seinen Gemälden fortgesetzt wird. Die Dokumentation des eigenen Lebens wird so zum eigentlichen Gegenstand der künstlerischen Arbeit. Das in der Ausstellung präsentierte Bild Ohne Titel (90) stellt jedoch das vorerst letzte Gemälde der Layoutreihe und somit einen Endpunkt der „Sozialen Layouts“ dar: „Die Dokumentation des Sozialen, bisher ein wesentlicher Bestandteil meiner Kunst, kommt immer mehr zu einem Ende. Nach einem fortschreitenden Prozess des exzessiven Abwendens bin ich auf mich selbst zurück geworfen und finde das ehemals soziale Layout nur noch als tragende Struktur vor.“(1)
Via E-Mail schreibt Thomas Winkler an Thomas Winkler Gedichte, die gespickt sind mit zeittypischen Begriffen und vielleicht wie seine Fotografien Momentaufnahmen der (eigenen) Existenz darstellen, die nach dem großen Zusammenhang fragen: „Das Schöne an Kunst ist doch, dass man sich existenziellen Fragen stellen und widmen und dem Sein im Ansatz etwas näher kommen, sich in die Sphäre ‚jenseits von Gut und Böse’ begeben kann. Ich glaube, dass es das in der Kunst schon immer gegeben hat und geben wird.“(2)

(1) Zitat: Thomas Winkler, Gespräch mit dem Künstler, 2015
(2) Zitat Thomas Winkler, Gespräch mit dem Künstler, 2015

By Franziska Linhardt

 

Interview
André Butzer – Prof. Winkler

Butzer: Warum haben Michael Asher oder Baldessari mit ihren Werken, Zeichnungen und Entwürfen einen so nachhaltigen Eindruck auf Dich gemacht, als Du Deine Dozentenstelle für Visuelle Gestaltung an der Hochschule für bildende Künste in Würzburg vor kurzem aufgegeben hast?

Winkler: Ich, Prof. Winkler, freue mich, Euch alle ganz herzlich zu diesem Gespräch begrüßen zu dürfen. Es ist mir eine außerordentliche Ehre, alle Fragen der Reihe nach vollständig zu beantworten.

Butzer: Anders gefragt: warum bist Du und Deine Formen der Äusserung so exemplarisch geworden, Dein noch kleines Publikum sieht sich dort wieder, erkennt sich und freut sich für Dich und für Deine Lebensführung.

Winkler: Die Freude ist ganz auf meiner Seite. Ich führe aber kein richtiges Leben. Und ein Publikum oder Zuschauer gibt es nicht. Die Menschen stellen sich mir als Rollen-Modelle zur Verfügung, die ich kritiklos anerkenne, um Teil ihrer Sache zu werden. Jeder, der sich erkennt, freut sich für und über sich selbst. So habe ich es von Michael Asher, Baldessari und von Dir gelernt.

Butzer: Stimmt. Du bist aber eigentlich nicht hier bei uns. Alles was man von Dir sieht, sind Beweise oder Spuren davon, dass Du Dich mit Deiner Sache soweit wie möglich heruntergelassen hast, um Dich auswechselbar zu machen. Es gibt Dich so gar nicht, oder es gibt Dich lediglich so, dass wir zu spüren bekommen, was von Dir übrig bleibt, wenn man denjenigen sichtbaren Anteil abzieht von dem, was Du hervorbringst. Das ist die wahrscheinlich populärste Art Kunst zu machen überhaupt, ähnlich wie On Kawara sich und seine Uhrzeiten thematisiert hat. Das Ergebnis ist grosse Traurigkeit über die Resultate von Kunst, aber diese grosse Bescheidenheit macht Dich und die Betrachter für den Moment glücklich. Aber Du hast Recht, es gibt kein Publikum, zumindest nicht für uns.

Winkler: Wir haben kein Interesse daran, durch die Verdoppelung des Ichs, Einsamkeit künstlich zu erzeugen. Übrigens bin ich kein großer Fan von On Kawara mehr. Als ich zum ersten Mal ein Werk von ihm sah, dachte ich, das Wesen von Kunst ansatzweise begriffen zu haben. Das war natürlich mein großer Irrtum. Trotzdem löste seine Malerei bei mir eine – wie Du es nennst – “Traurigkeit über die Resultate” von Kunst aus, die sich erst viele Jahre später aufgelöst hat. Das war am 23.7.2003, als ich in der Nähe von Genf mein erstes Kunstwerk erschuf. On Kawara hat dieses Werk für mich möglich gemacht. Meine Kunst fand anfangs nämlich auf der Rückseite seiner Gemälde statt, natürlich nur im übertragenen Sinne. Darum gibt es bei mir auch keine Zuschauer, bei ihm aber jede Menge. Ich habe vor, mich irgendwann ganz aus der Affaire zu ziehen. Etwa indem ich untertauche oder meinen Beruf fahrlässig auf´s Spiel setze.

Butzer: Kann man nicht viel dazu sagen. Alles wurde bei Dir immer unzugänglicher, aber gleichzeitig auch systematischer. Wer mit soviel Verständlichkeit agiert, muss irgendwann zu einem Schluss kommen, zumindest vorläufig. Das wäre dann wieder eher mit einem überschätzten Duchamp vergleichbar und einer weitreichenden Einsicht, aber ohne Schweigen. Deinerseits also ein Zugeständnis, ein Ausruhen vor lauter Klarheit. Anstatt zu schweigen fängst Du jedoch erst an, etwas zu erklären. Du hast das Schema des Mitteilens hinter Dir gelassen. Aber zu welchem Preis? Niemand, auch ich nicht, kann Dir mehr folgen. Niemand bewertet diese Stellung, die Du einbezogen hast, sie ist nicht bewertbar. Alles wird offen und Deine Handlungen spielen sich vor Dir selber ab.

Winkler: Ich würde nicht sagen, dass es keine Lösung gibt, weil es kein Problem gibt. Ich weiß nicht was wirkliche Freiheit ist. Die Einsicht, aus der heraus ein Mensch zu schweigen beginnt, ist wahrscheinlich die selbe, die ihn singen lässt. Mein Medium ist aber durchaus bekannt. Ich mache Werbung, deren Auftraggeber, Ausführender und Betrachter ich selbst bin. Ziel meiner Kampagne ist es, mich täglich von etwas zu überzeugen, von dem ich sonst nicht wüsste, ob es überhaupt existiert. Die Kunst besteht darin, den Kunden möglichst wenig über´s Ohr zu hauen. Dies ist sozusagen die Kampagne meines Lebens und sie funktionierte bisher gut. Ich führe täglich Umfragen bei mir selbst durch und stelle steigende Erinnerungswerte fest. Mein Leben wurde von Tag zu Tag schöner und kürzer. Der Preis ist allerdings unbezahlbar.

Butzer: Ich bin froh, daß wir so ehrlich miteinander sprechen können. Alles, was wir sagen, macht hoffentlich klar, an welchem, das Leben von Grund auf durchdringendem Unternehmen wir hier beteiligt sind. Ich glaube, daß Deine Kunstform eine schöne Möglichkeit zur Darstellung eines großen Leids, welches die Menschen seit ihrer Industrialisierung erfahren haben, ist. Aber auch ihr sich fortschreibender Wille zum Glück, zur Zärtlichkeit, wird hier eine Form gegeben. Was ist eigentlich Form für Dich, d.h. ist Deine Form nur ein Umweg, wirklich emotional zu sein? Oder gibt es diese Emotion noch nicht, von der wir hier sprechen? Das wäre eine schöne Aussicht auf das kommende Ende von Kunst überhaupt, also ein schöner Moment, wo Kunst neu anfangen könnte, durch eine Emotion. Ich glaube alle Künstler, die etwas wirklich schönes hervorbringen wollen, wollen einen Neuanfang.

Winkler: Ich weiß nicht was Form ist. Aber ein junges Mädchen meinte nach einer Austellung zu mir, sie erinnere die Art der Präsentation an die Dokument-ation ihrer Klassenfahrt in der Aula: “Hier hat die Alexandra einen Frosch gefangen. Dort haben wir zusammen ein Lied gesungen. Und das gab´s zum Mittagessen.” In diesem Sinne wäre Form für mich das, von dem ich glaube, es gerade eben gewesen zu sein.

Veröffentlicht in Meise Nr.4, Verlag Heckler und Koch, Berlin, 2007

 

Interview (english version)
André Butzer – Prof. Winkler

Butzer: Just recently you left your job as assistant professor for Visual Design at the Technical University for Visual Arts in Wuerzburg. Why did Michael Asher or Baldessari leave such an impression on you with their art, their sketches and design?

Winkler: Myself, Prof. Winkler, I am happy to welcome all of you to this interview. It is an honour to me to answer all your questions one by one.

Butzer: I’ll ask differently: why have you and your forms of expression become so exemplary? Your audience, which is still small, recognizes itself and is happy for you and your conduct of life.

Winkler: The pleasure is on my side. But I do not bear a proper life. And an audience or spectators do not exist. People offer themselves as role-models, which I respect without critique in order to become part of their mission. Everyone who becomes aware of himself is happy about and for himself. That’s the way I learnt it from Michael Asher, Baldessari and from you.

Butzer: Right. But actually you are not here with us. Everything visible of you are just proove and traces showing that you came down with your cause as much as possible in order to make yourself replaceable. This is not the way you really exist. Or you just exist in as far that we feel what is being left of you while reducing the visual parts of what you bring about. This is probably the most popular way to produce art, similar to the way how On Kawara made himself and his time of the day subject of his art. The outcome is a big sadness about the results of art, but this great humility makes you and the onlookers happy for a moment. But you are right, there is no audience, at least not for us.

Winkler: We have no interest in doubling our selves to produce loneliness artificially. By the way I am not anymore a great fan of On Kawara. When I saw one of his works for the first time, I thought that I had understood the essence of art rudimentary. This of course was a great mistake. Nevertheless his art triggered off a kind of “sadness about the results” as you named it, which dissolved itself only many years later. That was exactly on July 23, 2003 when I made my first piece of art nearby Geneva. On Kawara made this possible for me. Because, in the beginning, my art took place on the backside of his paintings, not literally of course. That’s why I have no spectators but he has so many. I plan to to get out of this process. Perhaps by submerging or by risking my job negligently.

Butzer: One can’t say much about it. Everything became more inaccessible about you, but in the same time more systematic. Who acts out with so much comprehensibility, has to come to an end, at least preliminarily. This could rather be compared with an overestimated Duchamp and a far-reaching insight, but without silence. A concession from your side, a rest made of clarity. Instead of being silent you start to explain something. You left the scheme of telling behind. But at any cost? No one, not even myself, can understand you anymore. Nobody evaluates the position you chose, it is not appraisable. Everything is open and everything what you do happens on your own.

Winkler: I would not say that there is no solution, because there is no problem. I do not know what real freedom is.
The deeper insight out of which a human being begins to be silent might be the same reason why he starts to sing. My media, however, is well known. I do advertisment, of which I am client, producer and onlooker in the same time. My campaign is to daily convince myself of things I otherwise would not know of that they exist. The art is to cheat the customer as little as possible. This is so to speak the campaign of my life and so far it works really well. I do daily surveys with me and find out increasing rates in remembering. From day to day my life became more beautiful and shorter. The price actually is unbearable.

Butzer: I am happy that we can speak so honestly with each other. Everything what we say shall make clear, at which life-pervading enterprise we are taking part. I believe that your form of art is a wonderful possibility to present a great agony that mankind is suffering since industrialization. But also their continuing want for happiness, for tenderness, is given form hereby. What, by the way, is form for you, meaning is your form just a loop way in order to be emotional? Or does this kind of emotion, of which we speak, do not exist yet? This would be a great prospect on the coming end of art in general, a nice moment when art could start anew, through an emotion. I believe that all artists who want to realize something really beautiful, want to have a new beginning.

Winkler: I do not know what form is. But a young girl told me after an exhibition, that this kind of presentation reminds her of the documentation of her school trip: „Here, Alexandra caught a frog. There, we sang a song. And that’s what we had for lunch.” In this sense form is something for me of which I believe that it has just been.

Published in Meise No. 4, Publishing House Heckler und Koch, Berlin, 2007